Ein langer Weg zur Expedition
Eine Expedition wie diese plant sich nicht mal eben so nebenbei, vor allem, wenn man wie wir zwar Erfahrung mit Reisen in die Antarktis, jedoch nicht mit dem Leben in einem Feld-Camp hat. Hier bekommt ihr ein paar Einblicke, was alles bisher geschah.
Teil 1 - Logistikplanung
Ein
großer Teil unserer Planung beschäftigte sich mit Logistik. Zuerst war
geplant, die "übliche" Route von deutschen Forschenden in diesem Gebiet
zu nutzen, über die beispielsweise auch die deutsche Neumayer-Station
angereist wird. Dabei geht der Flug von Kapstadt auf die russische
Station Novolazarevskaya, von wo aus Forschende und Besucher:innen
verschiedenster Station "verteilt" werden. Von hier wäre die Anreise ins
Gebiet auf Schneemobilen in etwa einer Tagesreise erfolgt. Aufgrund des
Angriffskrieges Russlands wurden jedoch alle Kooperationen mit
russischen Organisationen eingestellt, so dass diese Route quasi
geblockt war. Eine Alternative fand sich in der britischen
Logistikorganisation White Desert. Es konnte ein Vertrag ausgehandelt
werden, und nun geht der Flug von Kapstadt auf die White Desert
Landebahn "Wolfs Fang" und von dort aus zum Untersee im
Otto-von-Gruber-Gebirge.
Neben unseren drei Reisenden musste aber natürlich auch jede Menge Fracht ins Gebiet gebracht werden. Schon allein die Planung des Gepäcks bot einige Herausforderungen: neben wissenschaftlichem Equipment (Vermessungsgeräte; Material für Blutabnahme; GPS-Logger; Drohnen und Zubehör...) und persönlicher Ausrüstung (Polarkleidung; Rucksäcke; Schuhwerk für Eis und Gebirge;...) musste Verpflegung für vier Wochen (alles in Trockenform), Zelte und Sicherheitsequipment und natürlich medizinische und Notfallausrüstung vor Ort gebracht werden. Einen Großteil der Ausrüstung bekommen wir glücklicherweise vom Alfred-Wegener-Institut gestellt, sonst wäre diese Expedition für uns gar nict umsetzbar gewesen. So kamen am Ende rund 800 kg Fracht zusammen, die erst nach Kapstadt und dann ins Untersuchungsgebiet gebracht werden mussten, darunter teilweise Gefahrgut. All das ist verbunden mit jeder Menge undurchsichtigem Papierkram für Zoll, Transport und Versicherungen.
Teil 2 - Kommunikation
In einem solch abgeschiedenen Gebiet fehlt uns selbst der Luxus eines lahmen Stationsinternets. Trotzdem ist eine Kommunikation mit der Außenwelt natürlich schon allein aus Sicherheitsaspekten heraus notwendig. So sind jetzt alle drei Expeditionsteilnehmer mit einem InReach-Gerät ausgestattet, mit dem sie (begrenzt) über Satellit mit uns Textnachrichten austauschen können. Für Notfälle gibt es außerdem ein Satellitentelefon, mit dem teure Telefonate geführt werden können.
Teil 3 - Gesundheit
Um soweit möglich sicherzugehen, dass medizinisch nichts schief läuft, mussten sich die Drei zuvor ausgiebigen ärztlichen Untersuchungen unterziehen. Außerdem befinden sie sich die letzten Tage vor Abflug in die Antarktis in Kapstadt soweit möglich in Quarantäne, um keine Infekte ins Camp mitzubringen, die dort zu Komplikationen führen könnten. Sollten wieder erwarten schlimmere Fälle vor Ort eintreten, ist ein Ausflug mit White Desert notwendig. Um auf kleinere Verletzungen oder Krankheitsfälle bestmöglich vorbereitet zu sein, haben die drei neben einem Erste-Hilfe-Kurs auch einen dreitägigen Spezialkurs in Erster-Hilfe für Polargebiete besucht, wo sie neben Bergungen auch spezielle medizinische Probleme kalter Regionen kennengelernt haben.
Teil 4 - Sicherheit
Bei einer solchen Expedition ist natürlich ein gutes Sicherheitskonzept essenziell. Für alle potentiellen Notfälle gibt es Pläne, im größten Notfall immer die frühzeitige Evakuierung aus dem Gebiet (so es das Wetter zulässt). Das Zeltlager verlassen immer nur zwei Teilnehmer gleichzeitig, während einer im Lager bleiben muss. Bei jedem weiteren Weg wird eine "Survival-Box" mitgeführt, die wichtiges Equipment zum Überleben enthält: ein Notfallzelt, Notrationen, ein Camping-Kocher, Schlafsäcke usw. Bei jedem Verlassen des Camps wird ein InReach-Gerät mitgeführt, über das auch von Ferne der letzte Standort abgerufen werden kann. Um sich auch im Gebirge sicher vorwärtszubewegen, haben die Drei einen Bergkurs abgelegt, bei dem sie Sicherungs- und Klettertechniken erlernt haben.
Teil 5 - Wissenschaftliche Arbeiten
...Und
all dieser Aufwand ist am Ende sinnlos, wenn nicht gute
wissenschaftliche Daten vom Gebiet aufgenommen werden. Daher war auch
die wissenschaftliche Vorbereitung der Expedition von großer Bedeutung.
So wurde eine neue Drohne angeschafft, die in der Lage ist, noch größere
Strecken zu fliegen und damit ein großes Gebiet wie eben unser
Untersuchungsgebiet abzufliegen. Für die Kartierung der Schneesturmvögel
mussten Methoden erdacht werden, da diese in steilen Felsen und dort in
schmalen Spalten und Höhlen brüten, also nicht ohne weiteres aus der
Ferne zu sehen sind. Für (für uns) neue Methoden wie
Mikroplastikuntersuchungen und GPS-Besendern von Vögeln musste Equipment
organisiert und vorbereitet und sich in die jeweiligen Methoden
eingearbeitet werden. Und schlussendlich musste alles Equipment,
Software, aber auch alle nötigen Information in das Untersuchungsgebiet
gebracht werden, um dort vollständig ohne Internetanschluss zu
funktionieren - ohne "nochmal etwas schnell nachlesen" - ohne "noch eine
Erweiterung des Programms runterladen" - ohne "mal schnell jemanden
anrufen und nachfragen". Für all diese Arbeiten müssen beim Umweltbundesamt entsprechende Genehmigungen eingeholt werden, in denen definiert wird, welche Aktivitäten im Rahmen unserer Forschung notwendig und erlaubt sind.
Nun liegt all das hinter uns, und wir
können nur hoffen, dass wir nichts übersehen und nichts vergessen haben,
und dass möglichst wenige unvorhersehbare Ereignisse den Verlauf der
Expedition beeinflussen.
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